Wissenswertes zum Arbeitsrecht

Haftungsgefahren für Arbeitgeber bei Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen

Haftungsgefahren für Arbeitgeber bei Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen

1. Gefahr von Nachzahlungen
2. Gefahr der Strafverfolgung


1. Gefahr von Nachzahlungen:

Auch bei unkompliziertem Verlauf des Arbeitsverhältnisses können sich aus der gesetzlich vorgeschriebenen Art und Weise der Lohnauszahlung für den Arbeitgeber beträchtliche Haftungsgefahren verwirklichen:


Bekanntlich ist an den Arbeitnehmer direkt nur der Nettolohn auszuzahlen. Die Steuern sind an das Finanzamt abzuführen. Der sog. Gesamtsozialversicherungsbeitrag (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil) ist der Krankenkasse als gesetzlich bestimmter Einzugsstelle zuzuleiten.

Früher überprüften die Krankenkassen die Arbeitgeber, ob diese ihre Pflichten im Zusammenhang mit der Abführung des Beitrages ordnungsgemäß erfüllten. Diese Aufgabe ist seit einiger Zeit auf die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung übergegangen. Mit diesem Wechsel der Zuständigkeit ist eine Intensivierung der Prüfung einhergegangen, was sich daran zeigt, daß inzwischen weit höhere Beiträge von den Arbeitgebern nachgefordert werden, als dies früher der Fall war.
In Anknüfung an ein Urteil des Bundessozialgerichts aus dem Jahr 1994 geht der Prüfdienst unter anderem dazu über, Beitragsleistungen nicht nur für die tatsächlich an Arbeitnehmer ausgezahlten Entgeltleistungen zu verlangen, sondern auch für solche zusätzlichen Leistungen, auf die der Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber nach materiellem Recht einen Anspruch gehabt hätte. Es soll demnach jetzt für die Beitragspflicht des Arbeitgebers ausreichend sein, daß ein Entgeltanspruch in der Vergangenheit entstanden ist, unabhängig davon, ob dieser Anspruch auch erfüllt wurde. Diese Beurteilung führt zu weitreichenden Konsequenzen, insbesondere bei Ansprüchen, die sich aus Tarifverträgen ergeben, die für allgemeinverbindlich erklärt wurden.
Die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung prüfen nunmehr, ob die Arbeitnehmer entsprechend dem geltenden Tarifvertrag tarifgerecht bezahlt wurden. Ggfls. wird vom Arbeitgeber rückwirkend der Gesamtsozialversicherungsbeitrag nachgefordert, wenn nur eine untertarifliche Bezahlung vorliegt.

Die Haftungsgefahren für den Arbeitgeber resultieren aus dieser geänderten Praxis. Der Arbeitgeber darf nämlich aufgrund einer gesetzlichen Regelung von dem Arbeitnehmer nur während des bestehenden Arbeitsverhältnisses und auch dann nur 3 Monate rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge im Rahmen des Lohnabzugsverfahrens geltend machen. Diese Bestimmung wird so verstanden, daß für länger als 3 Monate zurückliegende Zeiträume bzw. nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitgeber den Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung nicht nur zu zahlen, sondern auch wirtschaftlich allein zu tragen hat.

Auf diese Situation müssen sich die Arbeitgeber und ihre Berater einstellen. Geschieht dies nicht, so drohen für die Vergangenheit erhebliche Rechtsnachteile. Die Ansprüche auf den Gesamtsozialversicherungsbeitrag verjähren in der Regel erst in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge fällig geworden sind, bei vorsätzlicher Nichtabführung von Beiträgen tritt Verjährung sogar erst nach 30 Jahren ein.

2. Gefahr der Strafverfolgung:

Unterläßt der Arbeitgeber die fristgerechte Zahlung der fälligen Arbeitnehmerbeiträge, so drohen ihm nicht nur die oben beschriebenen Haftungsgefahren. Ein solches Verhalten ist darüberhinaus auch strafrechtlich sanktionierbar.

Lange Zeit war ungeklärt, ob die im Strafgesetzbuch an das Vorenthalten der Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung geknüpfte Strafandrohung davon abhängig ist, ob tatsächlilch eine Lohnauszahlung an den Arbeitnehmer erfolgte. Zum Teil wurde die Auffassung vertreten, der Arbeitgeber, der nicht nur die Beitrags-, sondern auch die Lohnzahlung in vollem Umfang unterläßt, sei nicht strafbar. Dieser Auffassung ist der Bundesgerichtshof in einer Entscheidung vom Mai 2000 entgegengetreten. Das Gericht vertritt die Meinung, daß Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung auch dann im strafrechtlichen Sinne vorenthalten sein können, wenn für den betreffenden Zeitraum kein Lohn an den Arbeitnehmer ausgezahlt worden ist.
Zur Begründung verweist der Bundesgerichtshof u.a. darauf, es erscheine nicht gerechtfertigt, denjenigen Arbeitgeber, der bei insoweit noch vorhandenem finanziellen Spielraum um eine “wenigstens teilweise” Lohnzahlung bemüht ist, die Abführung der Arbeitnehmerbeiträge jedoch unterläßt, der Strafsanktion zu unterwerfen, hingegen den Arbeitgeber, der bei gleicher finanzieller Lage nicht nur die Beitrags-, sondern auch die Lohnzahlung in vollem Umfang unterläßt, von der Strafbarkeit von vorneherein auszunehmen.
Allerdings ist ein strafbares Verhalten nur dann gegeben, wenn noch finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, die für die Beitragszahlung ausreichen. Ist auch letzteres nicht mehr der Fall (und dies dem Arbeitgeber nicht anzulasten), so kann auch das Strafrecht nicht angewendet werden.