Newsletter Familienrecht vom 8.Ausgust 2012

 

Ansprüche auf nachehelichen Unterhalt zählen zu den umstrittensten Fragen des Familienrechts. Dies ist verständlich, geht es doch oft um viel Geld und sieht vielfach der Unterhaltsverpflichtete nicht, ein nach Scheitern der Ehe für den Exe-Ehegatten noch finanziell einstehen zu müssen. Häufig kollidiert die Unterhaltsverpflichtung auch mit dem Lebensbedarf in einer neuen Beziehung/Ehe.

Besteht ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt grundsätzlich können dem aber unter Umständen Härtegründe entgegenstehen, die den Unterhaltsanspruch ganz vernichten oder doch erheblich reduzieren können. Besonders umstritten ist dabei der Härtegrund eines schwerwiegenden Fehlverhaltens des Unterhaltsberechtigten gegen den Unterhaltsverpflichteten. Dazu konnte auch nach bisheriger Rechtsprechung das Unterschieben eines Kindes von einem anderen Mann zählen. Dies war dann der Fall, wenn eine Frau ihrem Mann nach der Empfängnis eines Kindes wahrheitswidrig beteuerte, das Kind stamme von ihm und wenn sie ihn jahrelang in diesem Glauben beließ, obwohl sie damit rechnete, ein anderer Mann sei der Vater. Außerdem wurde als schwerwiegendes Fehlverhalten beurteilt, wenn die geschiedene Ehefrau den Mann von der rechtzeitigen (fristgemäßen) Anfechtung der Ehelichkeit eines Kindes abgehalten hatte. Dies galt aber nur dann, wenn sie bestehende Zweifel des Ehemannes über die Vaterschaft des Kindes zerstreute, während es noch nicht ausreichte, wenn sie Zweifel erst gar nicht aufkommen ließ.

Diese Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof jetzt zugunsten des Unterhaltsverpflichteten deutlich erleichtert. Nach einer aktuellen Entscheidung vom 15.02.2012 reicht es jetzt aus, wenn die Ehefrau den Ehemann nach der Geburt des Kindes nicht darauf hinweist, dass dieses Kind möglicherweise aus einem Ehebruch stammt. Es reicht also schon das bloße Verschweigen der Möglichkeit, dass ein anderer Mann der Vater ist. Es müssen also nicht mehr schon vorhandene Zweifel durch die Ehefrau beseitigt werden.

In dem entschiedenen Fall ging es um die Abänderung einer notariellen Urkunde über nachehelichen Unterhalt.

Die Parteien hatten 1967 geheiratet. Noch im gleichen Jahr war aus der Ehe eine Tochter hervorgegangen. 17 Jahre später wurde noch ein Sohn geboren als dessen rechtlicher Vater der Unterhaltspflichtige galt, da das Kind in die noch bestehende Ehe geboren worden war. Die Ehe wurde 13 Jahre später rechtskräftig geschieden. Während der Trennung, ein Jahr vor der Scheidung, hatten die Parteien eine notarielle Vereinbarung getroffen, in der der Ehemann sich zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt in bestimmter Höhe verpflichtet hatte.

Der Ehemann hatte später eine Abänderung der Unterhaltsverpflichtung verlangt, wonach er ab 2006 keinen Unterhalt mehr schuldet. Zur Begründung berief er sich auf Verwirkung, weil die Mutter ihm den Sohn als sein Kind wissentlich „untergeschoben“ und dadurch den Unterhaltsanspruch verwirkt habe.

Mit dieser Auffassung ist er im Prozess bis zum Bundesgerichtshof durchgedrungen.

In der Entscheidung weist der Bundesgerichtshof zwar darauf hin, dass der Ehebruch der Mutter für sich genommen als Verwirkungsgrund nicht ausreicht. Darüber hinaus ist ein weiteres Verhalten erforderlich, das sich als schwerwiegende Abkehr von den ehelichen Bindungen und der ehelichen Solidarität darstellt. Soweit dafür ein auf Dauer angelegtes intimes Verhältnis ausreicht, lag dies im entschiedenen Fall nicht vor.

Im weiteren stellt der Bundesgerichtshof dann aber klar, dass es einen gravierenden Eingriff in die persönliche Lebensgestaltung des Ehemannes und damit einen Härtegrund darstellt, wenn ein während der Ehe geborenes Kind möglicherweise aus einem Ehebruch stammt und die Ehefrau den Ehemann in dem Glauben gelassen hat, dass er alleine als Vater des Kindes in Frage kommt. Allein das Verschweigen der möglichen Vaterschaft eines anderen Mannes reicht danach als offensichtlich schwerwiegendes Verhalten aus, wenn wenigstens die Ehefrau es für möglich hält, dass ein anderer Mann der Vater ist.

Die Entscheidung hat erhebliche Bedeutung. Sie eröffnet zunächst in vielen Fällen die Möglichkeit, bislang feststehende Unterhaltsverpflichtungen bei nachehelichem Unterhalt aus Härtegründen in Frage zu stellen, also eine Abänderung zu verlangen. Dazu wird es ausreichen, wenn der Unterhaltsverpflichtete schlüssig vorträgt, dass er möglichweise nicht der Vater ist, etwa weil er zwischenzeitlich Informationen erlangt hat, wonach die Mutter in der Empfängniszeit sexuellen Kontakt mit anderen Männern hatte oder ein Ehebruch als solcher eingeräumt wurde.

Da es sich um eine Änderung der Rechtslage handelt, können mithin danach auch „abänderungsfeste Altfälle“ wieder aufgegriffen werden.

Die praktische Bedeutung sollte nicht unterschätzt werden, sagen doch neuere Aussagen aus soziologischen Kreisen, dass schätzungsweise bis zu einem Drittel aller Kinder „Kuckuckskinder“ sind.

 

Verfasser: Peter A. Aßmann, Bonn